28.12.2011

Deutsch-polnische Beziehungen 4

Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen
19. Jahrhundert



Zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen 
von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert – ein Überblick
B. Seidel-Dreffke


1. Einführung
2. Mittelalter
3. Frühe Neuzeit
4. 19. Jahrhundert
5. 20. Jahrhundert
6. Literaturhinweise





4.) Das 19. Jahrhundert 

1800-1850: Kampf um Wiedererlangung der polnischen Selbständigkeit

Das Jahrhundert ist geprägt von Bestrebungen der Wiedererlangung der Einheit und Selbstständigkeit Polens. Diese Bewegung wird von großen Teilen der europäischen Intelligenz mit Sympathie begleitet.

Polnische Beamte finden nur selten Zugang zu den zentralen Verwaltungsbehörden. Jedoch sind viele geringere Landratsposten mit Polen besetzt. Man versucht, vor allem im Schulwesen, die Germanisierung so weit wie möglich zu verhindern bzw. zurückzudrängen. Religion und Muttersprache werden als „höchste Heiligtümer der Nation“ von der Obrigkeit geachtet.

Das Aufeinanderprallen preußischer  und polnischer Traditionen fördern bei der polnischen Bevölkerung mehr und mehr die Entwicklung eines Nationalbewusstseins und eines Bedürfnisses, die fremden Eindringlinge abzuschütteln. Im Jahre 1815 beschließt der  Wiener Kongress die Schaffung eines „Königreichs Polen“ aus dem Herzogtum Warschau in einer Personalunion mit Russland. Der russische Zar wird gleichzeitig als polnischer König eingesetzt. Theoretisch wird den Polen die Zusicherung der Einheit der polnischen Nation durch Sprache und freien Verkehr (Freizügigkeit) gegeben. Der Westteil des Landes geht nun als Großherzogtum Posen an Preußen, Galizien bleibt bei Österreich, Krakau wird „freie Stadt“.

Es kommt auch zu Aufständen der Polen in den russisch besetzten Gebieten. Nach Deutschland ziehende geschlagene Aufständische werden dort von der sympathisierenden Bevölkerung teilweise begeistert unterstützt. Höhepunkt ist das Fest auf dem Hambacher Schloss 1832 mit der gemeinsamen Parole „Für unsere und Eure Freiheit!“


1850-1900: Aufstände und Repressionen

Es kommt zu zahlreichen Aufständen in den einzelnen besetzten Gebieten. Es entstehen Emigrationswellen von Polen in verschiedene Länder der Welt. Dem Streben nach einem homogenen deutschen Nationalstaat steht nun immer mehr das Streben der Polen nach einem eigenen Nationalstaat entgegen. Es kommt auch zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen auf kulturellem Gebiet. Reichskanzler Bismarck[14] entzieht der Kirche die Aufsicht über die Schule. Dies sehen die Polen als einen gezielten Schlag gegen die katholische Kirche und reagieren mit Gegenwehr. Die deutsche Obrigkeit will dieser mit einer gezielten Germanisierung begegnen. Im Jahre 1876 wird Deutsch als alleinige Amtssprache im preußischen Teilgebiet proklamiert. In den Jahren 1885/1886 werden die aus dem Königreich Polen stammenden jüdischen und polnischen Wanderarbeiter ausgewiesen. Dies erfolgt in sehr harter Form und stößt nicht nur bei den Polen, sondern auch bei der Reichstagsmehrheit des Kaiserreichs auf harsche Kritik.



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[14] Bismarck, Otto Eduard Leopold, Graf von (1815-1898) wird 1871 erster Kanzler des Deutschen Reiches und behält diesen Posten bis 1890 inne.




  

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