28.12.2011

Deutsch-polnische Beziehungen 3

Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen
Frühe Neuzeit



Zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen 
von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert – ein Überblick
B. Seidel-Dreffke


1. Einführung
2. Mittelalter
3. Frühe Neuzeit
4. 19. Jahrhundert
5. 20. Jahrhundert
6. Literaturhinweise





3.) Frühe Neuzeit

Um 1500: Vordringen der Reformation nach Polen

In vielen Gebieten Deutschlands setzt sich zunehmend die Reformation durch. Dadurch geraten Deutsche teilweise in heftigen Gegensatz zum polnischen Katholizismus, wobei reformatorische Ideen auch nach Polen vordringen.

Das Luthertum findet vor allem bei der deutschen Bevölkerung in den großpolnischen Städten und in Krakau Eingang, die zum Teil noch aus der mittelalterlichen Einwanderungswelle stammt. Aber auch neu einwandernde Personen sorgen für die Verbreitung der Lehre. Einzelne großpolnische Adlige finden ebenfalls am Luthertum Gefallen. Besonders in Danzig fallen die Ideen der Reformation auf fruchtbaren Boden. Dort hebt der Rat der Stadt die Klöster auf, zieht das Kirchenvermögen ein und ernennt evangelische Pastoren für die Stadtkirchen.

Der polnische König versucht allerdings, auch mit teilweise rigiden Maßnahmen, die Vormachtstellung der katholischen Kirche zu sichern.

Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzt sich auch am polnischen Königshof eine tolerantere Haltung gegenüber der Reformation durch. 1555 wird dem Adel schließlich faktisch das Recht auf Glaubensfreiheit zugestanden. So wird Polen, gerade während des 30jährigen Krieges für viele Protestanten zu einem Zufluchtsort.

Eine große Bedeutung hat die im 16. Jahrhundert gegründete Universität Königsberg in Preußen für die Reformation in Polen.


1500-1600: Polen als Schutzmacht des Deutschen Ordens

Im Jahre 1525 leistet der Hochmeister des Deutschen Ordens den Lehnseid vor dem polnischen König. Auf diese Weise gewinnt er einen Verbündeten gegen die Großmächte Russland und Schweden. Im Jahr 1559 verbündet sich der Deutsche Orden mit Polen in Livland gegen Moskau. 1561 beanspruchen Livland und Riga den Schutz der polnischen Krone in der Auseinandersetzung mit Russland. Dem deutschen Adel bleiben alle seine alten angestammten Rechte (Deutsches Recht, Protestantismus, sozialer Stand) erhalten.

Im 16. Jahrhundert beginnt eine neue Welle deutscher Siedlungsbewegungen in Polen. Unter der Herrschaft der Jagiellonen[10], die das Land bis 1572 regieren, gelangt Polen zur Großmachtstellung in Europa. Es erlebt eine wirtschaftliche und politische Blüte. Die polnische Ostgrenze verläuft ca. 100 km vor Moskau. Es kommt zu einer Ostabwanderung polnischer Bauern. Deshalb werden neue Siedler benötigt. Der polnische Adel siedelt neben polnischen und niederländischen auch deutsche „Waldbauern“ auf abgelegenen Einöden an.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kommt es zu gravierenden innenpolitischen Veränderungen in Polen. Als die Regierungszeit der Jagiellonen endet, folgt in Polen ab 1573 die Zeit der Wahlkönige. Am längsten (45 Jahre) hält sich der Schwede Sigismund III[11]. auf dem polnischen Thron. Er verlegt Polens Hauptstadt nach Warschau.


1600-1800: Verlust der polnischen Großmachtstellung

Polen verliert mehr und mehr seine Großmachtstellung. Um sich gegen innere und äußere Feinde durchzusetzen wird eine Union mit Sachsen angestrebt und schließlich vollzogen. Vor allem mit Russland und Preußen gerät Polen mehr und mehr in Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen. Im Jahre 1697 wird der sächsische Kurfürst Friedrich August zum polnischen König August II[12] gewählt. 1733 marschieren russische Truppen in Warschau ein. Der gewählte polnische Thronanwärter muss zugunsten der Sachsen abtreten.

Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) führt zu einem wirtschaftlichen Ruin Sachsens und Polens durch die preußische Kriegsführung und Politik. Im Jahre 1772 erfolgt die erste Teilung Polens. Das Land wird innenpolitisch immer instabiler. Vor allem die heterogenen Interessen des polnischen Adels verhindern die Lösung überlebenswichtiger Probleme. Russland, Österreich und Preußen nutzen diese Konflikte aus. Polen verliert ein Drittel seines Gebietes. Westpreußen geht an Preußen und Galizien an Habsburg.

Der polnische Staat bemüht sich um Reformen. An einem erneuten Erstarken Polens ist den Teilungsmächten aber nicht gelegen. Die russische Zarin Katharina II verbietet die Anwendung einer vom polnischen Sejm 1791 beschlossenen Verfassung, die Polen in eine konstitutionelle Erbmonarchie umwandeln soll. Daraufhin kommt es in Polen zu einem Aufstand, dem 1792 die zweite Teilung Polens folgt. Die Sejmabgeordneten werden gezwungen, die Hälfte des verbliebenen polnischen Reiches an die Teilungsmächte Russland und Preußen abzutreten. An Preußen fallen Danzig, Thorn, Teile Masowiens und Großpolens. Es kommt zu einem Aufstand unter Tadeusz Kosciuszko[13], der allerdings im Jahre 1794 durch preußische und russische Truppen niedergeschlagen wird. In der Konsequenz wird Polen 1795 ein drittes Mal aufgeteilt. Preußen erhält: Masowien, Bialystok, Suwalki. Warschau bleibt bis 1806 preußisch.



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[10] Grundstein der in Polen über viele Jahre führenden Jagiellonendynastie legt die Hochzeit der ungarischen Fürstentochter Jadwiga und des Großfürsten Jagiello von Litauen, die nach dem 1370 ohne direkten Nachkommen verstorbenen polnischen König Kasimir des Großen die Herrschaft in Polen übernehmen. Krakau wird zur Hauptstadt des ausgedehnten Jagiellonenreiches (vereinigtes Polen und Litauen).

[11] Sigismund III (1566-1632) war ursprünglich schwedischer Thronfolger. Er wird wegen seiner Politik der Gegenreformation im protestantischen Schweden 1599 vom Reichstag abgesetzt. In Polen hält er sich bis zu seinem Tode auf dem Thron.

[12] August II (auch der Starke) (1670-1733) stellt nach dem Tod des polnischen Königs Johann Sobieski im Jahre 1696 Ansprüche auf den polnischen Thron. Um sein Ziel zu erreichen, konvertiert er sogar zum Katholizismus. 1697 wird er zum polnischen König gewählt. Er muss 1706 zugunsten von Stanislaw Leszczynski auf die polnische Krone verzichten. Nach dem Sieg der Russen über die Schweden bei Poltawa beginnt August mit der Rückeroberung Polens. Er gewinnt schließlich die polnische Krone zurück. 1719 wird er offiziell als polnischer König bestätigt. Er stirbt in Warschau.

[13] Tadeusz Andrzej Bonaventura (1746-1817) geht in die Geschichte als polnischer Offizier und Freiheitskämpfer ein. Er begibt sich  1776 nach Amerika, um am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilzunehmen. Im Jahre 1784 kehrt er nach Polen zurück und leitet ab 1794 den Freiheitskampf in Polen. Jedoch endet der Aufstand mit einer Niederlage. Nach 1798 lebt Bonaventura in Frankreich und in der Schweiz und kämpft weiter vergeblich für die polnische Sache.



  

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